Während die Fußball-EM via Satellit live in alle Welt übertragen wird, arbeiten Forscher rund um den Globus mit Hochdruck an der nächsten Generation von Satellitensystemen: den LEO-Satelliten (LEO: Low Earth Orbit Satelliten), niedrig fliegende, schnell umlaufende Kommunikationssatelliten. Sie sollen die digitale Vernetzung revolutionieren, indem sie Sprach- und Datenübertragung sowie Cloud- und Internet-Dienste auch an Orten ermöglichen, an denen terrestrisch kein Netz verfügbar ist. Damit sind die LEO-Satelliten eine wichtige Voraussetzung für das Internet der Dinge, Industrie 4.0 und Anwendungen wie das Autonome Fahren. Damit die deutsche Raumfahrtindustrie sich in dem strategisch wichtigen Segment jetzt international einen Spitzenplatz sichern kann, muss einiges passieren wie die neue Studie „Die Zukunft der Satellitenkommunikation“ des Technologieverbandes VDE zeigt. Mit der jetzigen Attitüde klappt es nicht. Deutschland muss an Speed im All gewinnen, denn im Orbit herrschen neue, andere Spielregeln. Kommerzialisierung, Zeit- und Kostendruck sowie stark kapitalisierte Newcomer aus Übersee verändern gerade den Weltmarkt in rapidem Tempo.
VDE fordert den Mut, die Komfortzone zu verlassen
Die VDE-Experten kommen zu dem Ergebnis, dass Deutschland im Bereich der Satellitensystemtechnologie auf einem sehr hohen Stand der Technik ist, sich aber keineswegs auf dem Erfolg ausruhen darf. Denn trotz aller bisherigen Erfolge bleibt es eine zentrale deutsche und europäische Herausforderung, eine Vielzahl von konkurrenzfähigen Satelliten mit kostengünstigen Komponenten und geforderter Lebensdauer herzustellen und preiswert in den Orbit zu bringen. Wie dies geht, zeigen die jungen Player SpaceX und OneWeb, die derzeit mit viel Kapital und innovativen Geschäftsmodellen für Raumfahrtsysteme und -dienstleistungen die Branche aufmischen. Sowohl in der Art und Weise, wie sie neue SatCom-Megakonstellationssysteme mit einer Vielzahl von Satelliten andenken, als auch bei der Raketentechnik, was die Wiederverwendbarkeit von Raketenstufen anbetrifft. „Diese Entwicklung stellt Deutschland und Europa vor die Herausforderung, über den Tellerrand zu schauen. Unsere Forschung muss kreativer werden, auch unkonventionelle Ideen zulassen. Nur dann können wir den Anschluss halten oder besser werden. Stark ist, wer innovative Systemansätze mit unkonventionellen technischen Realisierungen und neuen Geschäfts- und Finanzierungsmodellen vorweisen kann“, konstatiert der VDE.
So müsse der Fokus zukünftiger Entwicklungen von Kernsystemen u. a. auf der Energieeffizienz, der Robustheit, der Lebensdauer und der Strahlungsresistenz liegen, um diese Systeme erfolgreich im Orbit betreiben zu können und sich Alleinstellungsmerkmale zu sichern, so die VDE-Experten. Vor allem müsse die Industrie neue Technologiegebiete, wie sie durch die geplanten LEO-Satellitensysteme erkennbar sind, in ihr Entwicklungs- und Produktionsprogramm mit aufnehmen.
Politik muss Forschungsförderung neu ausrichten
Aber nicht nur der Industrie weist die VDE-Studie Aufgaben zu, auch die Politik muss dringend die Forschungs- und Entwicklungsförderung strategisch neu ausrichten, um gegen Newcomer aus Amerika und Asien bestehen zu können. „Es ist höchste Zeit, dass wir unser Know-how in die Satellitenkommunikationstechnik der Zukunft stecken“, fordert der Technologieverband. So müssen die Entwicklung von Kleinsatelliten mit hoher Performanz, geringen Kosten und minimierten Produktionszeiten gefördert werden. Ebenso müssen die Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung angesichts der neuen Marktentwicklungen optimiert werden.
Nicht zuletzt fordert der VDE ein Unterstützungsprogramm durch die Bundesregierung, das insbesondere kleine und mittlere Unternehmen darin unterstützt, intensiv an der personal- und kostenintensiven Normung und Standardisierung der zukünftigen Satellitenfunksysteme mitzuarbeiten. Auch muss der Mikroelektronik-Standort Deutschland gestärkt, die Grundlagenforschung gefördert und eine nachhaltige Forschungsförderung im Bereich der Satellitensysteme mit optischen Up- und Downlinks betrieben sowie die Überprüfung und Verifizierung der neuen Technologiekonzepten in Testsatelliten ermöglicht werden.
„Auf der diesjährigen Hannover Messe zeigte sich Deutschland gegenüber den USA in Bezug auf Industrie 4.0 selbstbewusst. Was wir aber hierfür und auch für das Autonome Fahren benötigen, ist ein globales Kommunikationsnetz, das hohe Datenraten in Echtzeit erlaubt. Eine Option hierfür bietet die neue Satellitenkommunikation mit niedrig fliegenden Satelliten. Sie ist das Rückgrat für das globale Internet der Dinge und eine globale Mobilkommunikation der 5. Generation (5G). Wir müssen einfach kreativer und schneller werden“, so das Fazit des VDE.